top of page
  • AutorenbildCaBy

25. Eintrag: Anarchile

Wir beide machten uns anschließend auf den Weg nach La Serena, wo wir eine Nacht im Hostel schlafen wollten, um dort unsere Weiterfahrt zu planen. Noch merkten wir nichts von den Demonstrationen. Wir kamen gegen Mittag im Hostel an und waren froh, dass es sogar eine Garage gab. So waren wir und unser Auto schon mal in Sicherheit. Die Stimmung in La Serena war ziemlich gruselig. Die Ruhe vor dem Sturm. Alles war geschlossen, die Läden waren so gut wie ausverkauft, die Leute waren angespannt und gingen nur im Notfall raus. Nachts sahen wir dann Leute, die gerade einen Laden geplündert hatten und mit Fernseher durch die Gegend rannten, verfolgt von Polizisten, die bereits zwei Fernseher auf dem Pickup transportierten. Der Anblick war lustig und gruselig zugleich..

Auf der Dachterrasse hatte sich das gesamte Hostel versammelt um das Treiben zu beobachten und so lernten wir zwei 18 jährige, nette, deutsche Jungs kennen, mit denen wir uns noch ein ganzes Weilchen über unser Auto unterhielten.

Die beiden kamen aus Berlin und Brandenburg und überlegten auch sich ein Auto zu kaufen. Leider konnte nur einer der beiden fahren.. So kamen wir ziemlich schnell davon ab ihnen unser Auto verkaufen zu wollen, obwohl wir nun schon ziemlich dringen einen Käufer für das Auto bräuchten. Am nächsten sollte es für uns früh weiter gehen. Wir wollten unbedingt schnellstmöglich nach Valparaiso. Hier in La Serena fanden wir keine Arbeit mehr, da alle Hostels Anfragen von Gästen bekamen, die als Freiwillige arbeiten wollten. Andere Backpacker ohne Auto kamen nicht mehr weg, da Nah- und Fernferkehr durch Straßenblockaden lahm gelegt wurde. Am liebsten wären wir in dem Hostel geblieben, jedoch ging uns das Geld aus. Campen konnten wir auch nicht irgendwo auf der Straße, da es zu gefährlich war und so beschlossen wir das Risiko, in eine Blockade zu geraten, einzugehen und weiterzufahren.

Wir hatten Glück und sahen auf dem Weg nur erschreckende Bilder von Bränden, kamen aber gut voran. Wir suchten uns einen bezahlbaren Campingplatz in einem winzigen Dorf namens Pichidangui, wo wir die Situation beobachten- und im richtigen Moment reinfahren wollten. Der Ort war friedlich und wie ausgestorben. Ganz alleine verbrachten wir die erste Nacht mit ein paar Hunden, die wir beim Spaziergang aufgegabelt hatten, auf dem großen Campingplatz im Wald, direkt am Strand. Am nächsten Morgen zogen wir mit Laptop und Malsachen Richtung Dorf, in der Hoffnung ein lauschiges Plätzchen mit Internet und Strom zu finden. Toby hielt auf dem Weg auf einmal an, brabbelte etwas von wegen Selbstauslöserfoto und malte etwas in den Sand während Caro versuchte die Kamera zu positionieren und gleichzeitig die Hunde abzulenken, damit sie diese nicht wieder umwerfen oder wegtragen. Caro war der Meinung, dass wir witzige Fotos machen und konnte auch das geschriebene nicht sofort übersetzen. "Quieres casarte conmigo" ... Irgendwas mit Kunst machen?! Toby kniete sich hin, fragte -ein Glück auf deutsch- "willst du mich heiraten?" und holte den wunderschönen Ring aus dem Kästchen.

Ja! Ja! ja! Ich versteh die Frage nicht!!!!!

Wir landeten im Sand und Caro konnte die surreale Situation noch nicht ganz fassen. Nachdem alle 5 Hunde langsam gelangweilt waren und unruhig hin und her liefen, gingen wir als frisch verlobtes Paar ins Restaurant um darauf anzustoßen.

Toby erzählte, wie er mit Caros Eltern zusammen die Ringgröße raus bekommen hatte und wie er den Ring hatte anfertigen lassen. Caro hatte absolut nichts mitbekommen und/ oder geahnt.

In der darauffolgenden Nacht hörten wir Sirenen, woraufhin die Hunde laut anfingen zu bellen- und zu jaulen. Wir wurden ziemlich panisch, Toby bewaffnete sich mit einer dezenten Eisenstange und lief nach vorne zu der Hütte des Campingplatzbesitzers, gefolgt von 4 der 5 Hunden. Ratet mal, wer mehr Angst hatte- Toby oder der Besitzer? Caro blieb mit dem Pfefferspray in der Hand zurück und war froh, dass sich die Hunde aufgeteilt hatten und einer bei ihr geblieben ist. Wir malten uns die schlimmsten Situationen aus. Wild gewordene Demonstranten, die den Campingplatz überfallen und abfackeln oder ein Tsunami, der uns überrollt. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Toby zurück und erklärte, dass gegenüber eine Feuerwehrwache ist und diese jedes Mal Alarm schlägt, sobald ein Fahrzeug ausfährt. Wir waren erleichtert und konnten beruhigt einschlafen.

Noch eine weitere Nacht blieben wir in Pichidangui und wagten es dann nach Valaparaiso hinein zufahren. In Vina del Mar erinnerte die Stimmung an den ersten Mai in Berlin- friedlich feiernde Menschen halt.

Über ioverlander suchten wir uns ein Hostel in der Innenstadt raus, als wir jedoch in Valpo inmitten zwischen brennenden Müllhaufen und vermummten, Steine-werfenden Demonstranten standen, wendeten wir in einer Einbahnstraße und fuhren Richtung Stadtrand, wo wir ein kleines B&B fanden, was bezahlbar war und einen Parkplatz hatte.

Wir blieben eine Nacht dort und fanden via Workaway für den nächsten Tag Arbeit in dem Hostel "Muffin". Das Auto ließen wir gegen eine lächerlich- geringe Miete dort.

Das Hostel Muffin gehörte einem 30 jährigen Türken, der nachdem er selbst gereist ist, sich in Chile niedergelassen hatte. Er kiffte viel und vor seinem ersten Bier- also vor 12 war er zum kotzen. War aber egal, da die Schichten entspannt waren, wir aufgrund der Demos eh sogut wie keine Gäste hatten und wir andere tolle Leute- Chilenen und Touristen, kennenlernten. Hinzu kam, dass Valparaiso einfach wunderschön war.


So wurden aus 2 Wochen 5. Wir lernten Valparaiso zu lieben und lebten mitten zwischen Tränengas und Wasserwerfern. Läden waren geschlossen und überall fuhren Militär Fahrzeuge rum. Das ein oder andere Mal landete auch eine Tränengasgranate auf der Terrasse, woraufhin wir die asthmatische Katze rein retten mussten. All das wurde zum Alltag. Hinzu kamen noch Erdbeben und ein großer Brand in der Nähe, sodass wir Gefahrenmeldungen bekamen, dass wir uns zur Evakuation bereithalten soll. Aufregende Zeit.


Witzigerweise waren die beiden Jungs, die wir in La Serena kennenlernten die Kinder von einer Arbeitskollegin von Caros Mama. Die beiden redeten über das Auto und wir hatten das erste Mal doch ernsthaft potenzielle Autokäufer. Super lustiger Zufall. Die beiden hielten uns ewig hin, machten eine Probefahrt, wie machten eine Inspektion in einer Werkstatt mit denen zusammen, überarbeiteten Verträge mit deren Papis und Opis, wir sagten einer Ratenzahlung als Sicherheit zu, sagten anderen Interessenten ab und am Ende trauten sie sich trotzdem nicht das Auto zu kaufen. Wir waren mega angepisst.


Wir lernten den neuseeländischen Maler Ben und Lena aus Hamburg kennen, die sich super verstanden und deswegen beschlossen zusammen zureisen. Wir schlossen uns spontan den beiden an. Die Zeit war reif weiterzuziehen.

Wir fuhren vor nach Pichilemu, wo die beiden in einem Hostel arbeiten wollten. Wir beworben uns ebenfalls, jedoch war der Tourismus zurückgegangen und so viele Leute wurden nicht sofort gebraucht. Wir kamen noch ein paar Tage auf einem Campingplatz unter, warteten auf eine Antwort und waren einfach nur froh, dass in Pichilemu nichts von den Unruhen zu merken war.

Wir durften zusammen mit den beiden anfangen und hatten tolle 2 Wochen dort. Wir surften, machten Strandspaziergänge und genossen die tolle Luft.


Ben fing ab und zu einen dicken Fisch und wir verkauften endlich unser Auto an eine aus London kommende mitte 30 jährige, die eigentlich mit ihrem Freund aus Venezuela das Auto abholen wollte. Leider durfte er nicht nach Chile einreisen, da vermutet wurde, dass er aufgrund der politischen Lage in Venezuela nach Chile einwandern möchte. Unfaire Welt. Ein Glück konnten wir uns darauf verlassen, dass sie das Auto haben möchte. Sie überwies uns eine Kaution und wir hinterlegten den Kaufvertrag beim Notar. Nach 4 Tagen kam sie an, machte eine Probefahrt und überwies uns das Geld. Wir warn traurig und froh zugleich, dass wir Araza in gute Hände abgeben konnten.

Nach der unfassbar schönen Zeit mit Ben und Lena trennten wir uns schweren Herzens und nahmen den Bus nach Santiago, wo wir einen Flug nach Quito, Ecuador gebucht hatten, um endlich den Amazonas kennen zulernen.


28 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page