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17. Eintrag - Wunderschönes Nichts

Aktualisiert: 16. Nov. 2019

Wir schreiben den Monat Juni und liegen in Tarija vor Anker, dem wohl trockensten aller Gewässer. Trotz Windstille erfassen uns hier eines Abends starke Böhen, wechselhaft aus den Richtung Norden, Süden, Westen und Osten… manchmal auch von unten und oben. Der Wein ist schuld. Ja, da könnte  man jetzt den Zeigefinger erheben und sowas sagen wie „Ihr Suffies, rafft Euch mal.“, man könnte aber auch einsehen, dass a) Wein trinken in Tarija unter „Sightseeing“ läuft und b) Eben dieser an jenem Abend ein nettes Irisch/Englisches Pärchen an unsere Ufer spülte.

Warum erzählen wir das? Neben einigen netten Abenden verdanken wir den beiden unsere erste richtige Wandertour, die für (mindestens) die kommenden Monate in uns eine Leidenschaft auslöst. Namentlich Shawn und Rosie, sind erfahrene Wanderer und haben auf Ihrer Reise eine ganze Weile lang (2-3 Monate wenn ich mich richtig erinnere) durchschnittlich 20km täglich zurückgelegt und sich so fast ausschließlich zu Fuß und campend fortbewegt. Zusätzlich arbeitet Shawn in seiner Heimat selbst als Guide für Jugendliche in einem Reservat. Abgesehen davon, dass die beiden auf persönlicher Ebene einfach super waren, haben wir von der Begegnung profitiert, da sie abgelegene und unüberlaufene Touren präferierten und im Anschluss mit uns Rookies die wichtigsten Infos und Wegmarken geteilt haben. So waren wir nicht auf einen Guide angewiesen und konnten dennoch wunderschöne Wege entdecken, ganz ohne im Touri-Mob zu segeln oder uns schlicht selbst zu gefährden. Dem sei hinzugefügt, dass bolivianische Berge und ihre Natur für die unerfahrenen Großstädter nicht zu unterschätzen sind!

Genug der blumigen Vorreden. Im kommenden Beitrag wollen wir ebendiese Tour in Wort und Bild mit Euch teilen.

Wir werden nicht lügen – die Nacht vorher war unruhig. Der Plan: Mit dem Trufi (kleiner Stadtbus) in aller Frühe zum Busbahnhof um dort einen Bus zu der ca. 3500m hohen „Laguna Pujzara“ zu nehmen. Von dort soll es in 2 Tagen ins ca. 35km entfernte „Pinos  Sur“ gehen. Hier fährt gelegentlich ein kleiner Bus (aber höchstens bis 16 Uhr!) zurück nach Tarija.

Kleiner Fun-Fact am Rande: Zur Schreibweise von „Pujzara“ existiert in JEDER Karte eine andere Version. Das Ortsschild beim Ausstieg aus dem Bus hat ebenfalls eine Eigene (die wir als die echte auserkorene haben… die Leute, die da leben und Ihr Schildchen gemalt haben, werden ja wohl wissen wo se wohnen!).

Aber zurück zur Nervosität: Ist das Quatsch? Ohne Erfahrung und ohne Guide eine Wandertour über 2 Tage zu machen. In Bolivien. In eine Gegend in der es Nachts -10° werden und in der eine Besiedlungsdichte von 3,5 Personen pro 50km² besteht? Was brauchen wir eigentlich alles auf dem Weg? …also ohne sich totzuschleppen. Fragen über Fragen. Fazit: Nee, gar kein Quatsch. Die Infos der beiden oben erwähnten Menschen, ein bisschen Instinkt und die coolen Gadgets, die uns bereits unsere ganze restliche Reise begleiten (Wasserfilter: Danke Bruderherz, Marco und liebe Eltern (Toby)!, Taschenmesser: Danke, beste Nachbarn der Welt!, krasseste Taschenlampe aller Zeiten: Danke an meine unglaublich lieben ehemaligen Kollegen(Toby), Thermoskanne: Danke liebe Eltern(Caro)) + fetten Schlafsack, Sonnencreme, Powerbank, lang haltbaren Ziegenkäse, etwas Brot und Zelt = tragbares Gepäck und alles was Du brauchst.



So ging es also in aller Frühe los, um die ersten Busse zu nehmen und trotz 3stündiger Fahrt möglichst zeitig die Lagune zu erreichen. Pünktlich um 10:33 standen wir daher plangemäß im... absoluten Nichts.




Zugegebenermaßen wunderschönes und enorm gut ausgeleuchtetes Nichts. Die Sonne kämpft hier oben nämlich mit einer Macht gegen die frische Bergbriese, die uns umgehend ne Fuffziger auspacken und ne gute 2cm Schicht auslegen lies. 

Gut geölt und gut getarnt (zumindest vor Kreidefelsen stehend) ging es also los: Um die Lagune herum und in Richtung Berge, dort ab durch die Mitte und durchs Tal, zweites Strohbüchel links, vorbei an den 17 Lamas, kurz hoch auf den Steinhaufen, rechts halten bei den 4 Eseln, über den Bach, großen Bogen um die 6 Gänse und winkend den Stier mit dem Türstehergrinsen passiert. Null problemo, im Grunde. Die "Der-geplanten-Route-folgen-Quote" lag bei entspannten 15%. 





"Der Weg ist das Ziel" ist hier keine lahme Floskel, denn so gegen halb 3 erreichten wir endlich den Weg unserer eigentlichen Begierde. Den ca. 500 Jahre alten, gepflasterten Bergweg der Inkas.



Hier bekamen wir auch eine erste Ahnung davon, wie kalt es hier nachts werden sollte: Teile des kleinen Baches, dem wir folgten, waren gefroren:






Unsere nächste Entdeckung:

Nochmehr Nichts. Nochmehr Stille. Unfassbar schön!

Mit Einsetzen der Dunkelheit aber, wurde uns so langsam Bewusst, wenn nicht bald ein bisschen weniger "nichts" kommt, wirds eng. Unser Plan war auf einem Sportplatz eines Dorfes mit ca. 13 Einwohnern zu Übernachten, der sich nach ca. 18km (Höhenmeter unerwähnt) auf der Hälfte der Strecke in einem kleinen Tal befinden soll. Wir waren allerdings nach dem Abstieg des letzten Berges in einer Art altem Flussbett, oder Abbaustelle für enorm große Kiesel gelandet. Nicht nur sau schwer zu gehen, sondern auch das Gegenteil eines bequemen Zelt-Untergrunds. Kurz bevor aber die eigenen Hände fast nicht mehr erkennbar war, eröffnete sich eben dieses Örtchen vor unseren Augen: Geschafft!

In unserem ungebrochenen Optimismus erhofften wir uns sogar etwas warmes zu Essen zu bekommen und steuerten anstelle des alten Bolzplatzes erstmal eine Lehmhütte mit der Aufschrift "Comedor" an. Seeeehr gemächlich erschien nach 10 Minute klopfen (an die geöffnete Tür) ein älterer Herr der uns ohne Umwege hineinwinkte. "Herein" bedeutet in dem Fall in die Hütte, die von innen so aus sah wie von aussen... Nur mit noch weniger Licht, einer Bank, einem Tisch und Einblick auf die Rückseite des Hauses, in dem neben sämtlichen nicht mehr funktionierenden Gartengeräten, Möbeln, Kleidungsstücken und Haushaltsgeräten eine Wäscheleine mit dem augenscheinlichen "Menu del dia" daran aufgehängt hing. Richtig fiese Horrorfilme fangen so an...

Obwohl wir aus den Vergangenen Monaten kulinarisch schon ein recht dickes Fell angelegt hatten,(das, was das dort Hängende seit einiger - ungekühlter - Zeit nicht mehr besaß), entschieden wir uns zu einem taktischen Ausweichmaneuver. Da wir nicht riskieren wollten die zweite Etappe mit Magenkrämpfen zurücklegen zu müssen, redeten wir uns damit raus, nur gern etwas Brot, Käse und vllt. sogar ein Bier, wenn denn vorrätig, kaufen zu wollen, da wir sonst noch genügend Vorräte dabei hätten, die ja auch weg müssen.


Nach ausgewogener Kost und tiefem Schlaf in unserem wohlisolierten Zelt (niiiicht):



erwartete uns die wundervollste Wiedergutmachung allerzeiten:



An diesem Anblick frisch gestärkt ging der Rückweg fast wie von selbst... naja aber auch nur fast.

VIDEOS?!

Ein richtiges Frühstück brauchte es schon noch! Hierfür fanden wir auch ein lauschiges Plätzchen, das auch gleich zum Auffüllen unserer Wasservorräte diente:



Der Rückweg hielt neben schönen Frühstücksplätzen den ein oder anderen Lama- Schafs- und Kuhschädel, einen Inkazahn (Ja... ganz sicher.. von einem echten Inka! Vermutlich...) ,erneut arg verdutze Esel und gigaaaaaantische Aussichten für uns bereit:

Dennoch... wenn die Berge dann hinter einen endlich in immer weitere Ferne rücken und der erste tatsächliche Weg wieder erkennbar wird, ist die Erleichterung so groß wie die Beine schwer.  Nun hieß es einfach immer dem Lama hinterher bis nach Pinas, wo uns ein freundlicher Greifvogel an der "Bushaltestelle" (Straßenecke ohne Schild oder Hinweiß. Gut, dass wir dank S&R wussten welche Ecke) empfing und nur ein Stündchen später der Shuttle der örtlichen Grundschule wieder nach Tarija und zu unserem Siegerbierchen brachte.

Das einzige was wir am Ende diesen Abends mehr in uns hatten als Endorphine, waren Siegerbierchen und Grispezialitäten. Runde Sache, das! Gerne wieder :)


Auf bald Ihr Juten.

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