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8. Eintrag: Die kleinen Dinge

Aktualisiert: 16. Nov. 2019

Zusätzlich zu unserem letzten Bericht von “unserer kleinen Farm”, haben wir uns dazu entschlossen einen kleinen Spinoff auszugliedern, der die kleinen Dinge in den Mittelpunkt rückt. Warum? Aus zwei Gründen: 1. In Zeit gerechnet, sind die kleinen Dinge hier alles andere als “klein” 2. Wie so oft im Leben, sind es nun mal eben diese, die das Leben besonders lebenswert gestalten

Eines dieser “kleinen Dinge” haben wir damit im 1. Punkt auch direkt angeschnitten:

“El tiempo”. Zum ersten Mal in gefühlt 20 Jahren, haben wir das Gefühl Zeit zu haben und über diese selbst verfügen zu können. Auch wenn es so klingen mag - dieses Gefühl ist ganz weit weg von Langeweile. Während man sich im Alter von 5-10 so manches Mal in seiner Langeweile wie gefangen gefühlt hat, haben wir uns nie so nah am Gefühl echter Freiheit befunden! Um die kühlen Stunden des Tages zu nutzen, beginnt der Tag früh (6:30 Uhr). Unsere Arbeitszeit ist überschaubar und unsere sozialen Verpflichtungen limitieren sich auf Grund eingeschränkter Elektrizität und Internet auf einen überschaubaren - im Umkreis weniger Meter physisch greifbaren - Kreis. Da dieser Kreis zusätzlich eine ausgedehnte Siesta von 13-17/18 Uhr pflegt, bleibt viel Zeit, Gedanken, Kreativität und mancher Blödelei Raum zu geben. Jedes Tier, jede Pflanze, jeder Gedanke bekommt in dieser Umgebung die Zeit, die er/sie/es verdient.



Manchmal darf auch Toby ins Bett. In die kleine Ecke am Fußende.


Ein Gefühl der Leere oder des Müßiggangs aber bleibt aus, denn jede Minute die übrig bleibt, findet einen Sinn.

Denn: Auf Shamballa wird uns klar, alles was sättigt, fließt, wärmt oder leuchtet, kommt nicht aus dem Regal, nicht aus der Wand und vor Allem nicht von allein!

“Hacer las compras” - oder wie wir in Berlin sagen: “Ick jeh ma kurz nach Aldi...”. Aldi is nich, und kurz sowieso nich! Wenn wir auf Futtersuche gehen, spielen andere Faktoren als “schmeckt und is billich” eine Rolle.


Faktor Nr. 1: Vorausplanung. Der Weg in die Stadt ist mit Gepäck (sprich Einkauf) eigentlich nur über die Hauptstraße zu bewältigen und beträgt damit gut 3,5km. Entsprechend wollen wir das ganze also nicht 9x die Woche machen. Da uns dennoch des öfteren die Gelüste nach nächtlicher Live-Musik, kühlen Bieren oder.. eben doch dem Einkauf plagt, setzen wir viel auf “hacer el dedo” (= den Finger machen). Das klappt in Richtung San Marcos Sierras innerhalb von Minuten, aber auch nach Cruz del Eje oder Capilla del Monte (jeweils ca. 17 km entfernt) finden sich in dieser Gegend immer recht schnell aufmerksame Autofahrer, die gerne Tramper mitnehmen.








Faktor Nr. 2: Essen ist nicht gleich Essen. Nie zuvor hatten wir eine so hohe Intensität an wertvollen Gesprächen (außer mit FlAnne und Marco, die an dieser Stelle fest, fest gedrückt werden!) über lokale Verfügbarkeit, Nachhaltigkeit und Qualität von Nahrung. Bevor wir daher irgendetwas kaufen, checken wir, ob es eine bessere Resource gibt. Oft finden wir uns also in den Büschen wieder, wo wir die Eier unserer sneaky chicks suchen, Kaktusfrüchte ernten, Rosmarin und Zitronengras für Tee pflücken, oder nach Essi (großartiger, liebevoller Nachbar und Arbeitskollege der Farm!) suchen, der uns zum Beispiel mit dem leckeren handgemachten Ziegenkäse eines Kumpels versorgt.




Faktor Nr. 3: Haltbarkeit. Mangels kontinuierlicher Stromversorgung verfügen wir nicht über einen Kühlschrank, sondern lediglich über eine Kühltruhe. Spoileralarm: Der Name is ne Finte. Die kühlt nicht, die schützt. Sie schützt vor hungrigen Hunden, Pferden, Katzen, Hühnern, Ameisen, Fliegen, Hunden, Füchsen, Spinnen, Schlangen,... hatte ich Hunde schon? Sprich: vor unseren “kleinen Freunden”, aber zu diesen später mehr. Der Punkt ist, dies reduziert unseren Fleisch uns Laktosekonsum auf ein Minimum.

Faktor Nr. 4: Einkauf will bezahlt sein, oder: “Zahlungsmittel” ...na hieraus machen wir mal ein ganz eigenes “kleines Ding”…


“Effectivo”. In den vergangenen 7-8 Jahren hat sich der argentinische Peso von einem Verhältnis 1:1 zum amerikanischen Doller zu einem Verhältnis von 1:37 gewandelt. Ohne auf die wirtschaftspolitischen Hintergründe dieser Entwicklung eingehen zu wollen (An dieser Stelle sei eine Google-Suche wärmstens empfohlen!), sei gesagt, dass diese Inflation keines Falls in einem Übermaß an Bargeld resultiert. Im Gegenteil. In Argentinien an Cash zu kommen ist stets mit der Suche nach einem Geldautomaten verbunden, der nicht bereits leergeräumt ist. Selbst wenn dieser einmal gefunden ist, ist die Wahrscheinlichkeit nicht hoch, dass dieses auch an Ausländer ausgeschüttet wird. Wenn aber doch, dann nur limitiert und garantiert einhergehend mit entsprechenden Gebühren. Wir haben es bisher nicht geschafft mehr als 4000 Pesos (<100€) abzuheben und sind nur dann unter einer Gebühr von 10% (hier schlagen sowohl argentinische, als auch deutsche Banken zu) geblieben. In San Marcos Sierras gibt es bspw. gar keine Abhebemöglichkeit. Aber das verbindet! Uns zum Beispiel mit anderen Reisenden, mit denen man sich gegenseitig aushilft und kompensiert. Die Locals untereinander, da bei Kaufabwicklung ein Nachbar, Kollege, Schwager, oder sonstiger Kontakt mobilisiert wird, der die entsprechende Karte annehmen kann.

"Cocinar". Ist das Hindernis der Futtermittelbeschaffung und -finanzierung dann überwunden kann es losgehen. Kochen!! Noch nie haben wir hierin so viel Erfüllung gefunden (dazu sei gesagt: Wir sind auch in Deutschland leidenschaftliche Köche und Esser!). Nicht nur bringen uns die neuen Einflüsse der Farm, sowie andere Reisende und Arbeiter, auf ganz neue Ideen, auch die oben genannten limitierenden Faktoren und das für uns neue Angebot an Lebensmitteln befeuern unsere Kreativität enorm! Wir kombinieren wild, backen unser eigenes Brot, machen Humus, Bulgur und Brei aus verschiedenem Getreide, karamelisieren Käse und Samen und trinken Limonade dank fermentierender Pilze (Kombuchapilz). All das gehört zwar weniger in die Kategorie “fast food”, doch dank obrigem Punkt “el tiempo”, haben wir hierfür Muße und Geduld. Das müssen wir ohnehin haben, da nach ca. 1,5 Wochen auf der Farm der Gasherd ausgefallen ist, womit zu jeder Mahlzeit auch die Holzsuche und das Feuermachen gehört. Neben einer klassischen Feuerstelle haben wir aber sogar einen selbstgebauten Lehmofen, in dem von Bananenbrot bis Pizza einfach alles gelingt. Jede Mahlzeit ist Vorausplanung, Arbeit, Abenteuer und am Ende wohlverdient - Und gerade das macht Spaß!



“Duchar”. Der aufmerksame Leser wird ahnen, wenn nichts was “fließt, wärmt oder leuchtet” von alleine passiert, bringt auch die Dusche jede Menge Spaß. Ehrlich - genau das tut sie! Bei durchschnittlich über 30 Grad gibt es kaum Schöneres, als sich das kühle Nass einer Outdoor-Dusche auf die Birne prasseln zu lassen! Nur leider prasselts manchmal plötzlich weniger stark als gedacht. Oder nach dem Einseifen gar nicht mehr... in Momenten zum Beispiel, in denen die solargetriebene Brunnenpumpe versagt. Dann spaziert man eben mal schaumig und handtuchbekeidet in eine Gruppe Besucher, denen gerade das Grundstück gezeigt wird, um nach Wegen zu suchen, das Wasser wieder zum Fließen zu bringen. Ein Spaß für die ganze Familie. Auch lässt der Wellnessfaktor enorm nach, wenn die Temperaturen über Nacht beschließen sich den 10 Grad zu nähren. (ja, ja, ihr habt grade Winter und 10 Grad sind doch super Warm, bla bla - Nee sind sie überhaupt nicht, wenn Du 30 gewohnt bist und draußen kalt duschst!!!). Dann heißt es -surprise- Feuer machen! Hierfür jedoch will vorgeplant, Holz gesucht und zerkleinert, Friends und Family unterrichtet und ordentlich vorgewärmt werden! Dann aber, ist es der Knaller. :)



“Kleine Freunde”. Wo bleibt denn hier die Überleitung? Naja, kleine Freunde chillen auch gern unter der Dusche! ...und nicht nur dort. Während der Wochen, die wir hier verbracht haben, gab es kaum Situationen ohne kleine Freunde: Kröten in Rucksäcken, Schlangen zwischen den Beinen, Pferde, die den Vorgarten wegnaschen, Kackerlacken in Flipflops (während auch der Eigentümer in den FlipFlops ist), Hühner die mitskypen, Spinne auf dem Heimweg (oder in der Dusche, im Bett, in Schuhen, in Töpfen und Hüten..), Hunde und Katzen immer und überall (zum Glück :)), Eidechsen, plüschige Würmer, schräge Vögel, gefräßige Heuschrecken und lustige Lurche. Ohne kleine Freunde is hier joaaarnüscht. Ein Ort an dem Tiere omnipräsenter und freier sind als hier, können wir uns nur sehr schwer vorstellen. Achtsamkeit ist daher geraten - für zweierlei: Nicht gepiekst werden und nichts verpassen!



“Baño secco”. Ein letzter Punkt darf nicht fehlen. Natürlich gibt es auf Shamballa auch hygienische Einrichtungen. Der Deutsche sagt gern “Klo”. Mangels fließendem Wasser und zum Zwecke der Wiederverwendung aller wertvollen Ressourcen handelt es sich hierbei um eine Komposttoilette.

Die Benutzung bedarf daher einiger wertvoller Regeln, sowie einer regelmäßigen Wartung. Wertvolle Regeln sind zum Beispiel: “sauber halten” (kennt man), “Papier nachlegen” (kennt man auch), “Vorrat an Sägespähnen aufrechterhalten” (Sicht- und Geruchschutz, fördert außerdem die Kompostierung und erleichtert das Ausleeren, was auch zu unseren Aufgaben gehört), “Immer den Deckel schließen! (1a: siehe Thema “kleine Freunde”, 1b: schonmal nen Haufen weglaufen sehen, währende Du draufsaßst? Gruselig!).

Juti, jenuch der kleinen Dinge. Mit diesem letzten schönen Bild geben wir zurück ins Studio!

Grüße aus Cordoba, wo wir diese Eindrücke gerade bei patagonischem Pale Ale haben Review passieren lassen. Hauta!

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